Dienstag, 20. April 2010

Parkbank. Teil II

Bäume. Fein säuberlich geschnittenes Gras. Spielende Kinder. Parkbänke.
Der Himmel bedeckte sich weiter. Er liebte es durch den Park zu gehen. Hier erschien das Leben realer. Jeder Mensch als Individuum. Keine graue Masse. Wie eine Oase. Refugium. Letzte Bastei vor den Toren der Anonymität und der Grausamkeit des Alltags.

Litfasssäule. Tokio Hotel zusammen mit den Jonas Brothers feat. Justin Bieber "in Concert". Euphorie. Hysterie. Blasphemie. Tod. Ein Vogel lag auf dem Boden. Gerade schnappte sich eine Katze die sterblichen Überreste.
Er lief ziellos durch den Park und versuchte einen Fokus zu finden. Irgendetwas. Überhaupt einmal einen klaren Gedanken fassen. Immer wieder versuchte er zu definieren, was er brauchte und überhaupt wollte. Nonsense reihte sich an klaren Gedanken. Gedankenversunken lief er durch den Park. Es musste mittlerweile Mittag sein. Man erkannte schemenhaft die von den Wolken verhüllte hochstehende Sonne.

Das Ende war grässlich. Exakt so wie man es sich in einem typischen Liebesfilm in der Exposition vorstellt. Extrem heftiger Streit mit der Partnerin. Mann wird verlassen. Niedergeschlagen. Dann kommt diese eine Frau und errettet ihn. Et cetera. Exakt so war es gewesen. Jedoch umgekehrt. Er hatte es beendet. Er konnte die ewigen Dispute nicht mehr etragen. Cut. Sie war überrascht gewesen.
"Sowas hast du doch noch nie gemacht?! Was soll der plötzliche Sinneswandel?", hatte sie gesagt.
Mea culpa war auch immernoch nichts für ihn. Jedoch immernoch besser als á la "si tacuisses" fröhlich den schweigenden Philosophen zu spielen. Das Maß war voll.

Fast wäre er gegen die auf der Parkbank sitzende Frau gerannt. Braune Augen. Freundliches Lächeln. Er war fast verlegen. Gerissen aus seinen Gedanken, schaute er sie halb verstört und halb überrascht an.
"Verzeihung, jetzt hätte ich Sie fast umgelaufen."
"Kein Problem", antwortete sie. "Sie waren wohl gerade tief in Gedanken, nich wahr?"

Sie kamen ins Gespräch. Er setzte sich zu ihr. Konversation. Etwas, was er lange nicht mehr betrieben hatte. Zumindest nicht bewusst. Meist basierte selbige nur auf hohlen Phrasen und nichtssagenden Themen. Bewölktes Wetter. Doch diese war anders.

Parkbank. Teil I.

Straßenlärm. Autos poltern. Reifen quietschen. Regentropfen prasseln an das Fenster.
Es schien ein gewöhnlicher Abend zu sein. Nichts besonderes. Morgens war er schnell ins Treppenhaus gegangen und hatte die Zeitung geholt. Kaffee. 2 Toast. Ein Ei. Fenster offen. Lüften. Den morgentlichen Stadtklängen lauschen und die Zeitung lesen.
Missbrauchsfall.
Flugzeugunglück.
Tom Cruise will noch ein Baby.
Nichts besonderes.
Ein Hauch von Lethargie war in der Luft zu spüren. Es widerte ihn an.
Hinaus aus der Küche seiner fast schon maroden Altbauwohnung in den viel zu engen Flur.
Bad. Waschen. Zähne putzen. Rasieren und noch schnell etwas mit den Haaren machen. Kämmen vielleicht. Dann die abgewetzte Lederjacke drüber und raus auf die Straße.

Er wurde von dem gewöhnlichen Klangbild begrüßt: Straßenlärm. Autos poltern. Reifen quietschen. Er runzelte die Stirn und blickte zum Himmel auf. Es schien bald Regen zu geben. Erhöhte Regenwahrscheinlichkeit hatten sie angekündigt. Gleich danach die Sensationsmeldung: Tom Cruise will noch ein Baby und es zu Ehren Scientologys gleich im Säuglingsalter in die Kunst der Dianetik einwesen, um möglichst schon in der frühen Adoleszenz den "clear" Status zu erreichen.
Nebenbei ein kleiner Bericht über einen Missbrauchsfall und hungernde Kinder in Afrika. Nukleare Aufrüstung im Iran. Kritik, Zionismus, Bürgerkrieg.

Er roch Abgase und sah Menschen links und rechts an ihm vorbeiströmen. Ein gewöhnlicher Tag. Komplette Anonymität in der Masse.
Same old thing.
Er entschied sich dafür einen Spaziergang durch sein Viertel zu machen. Altbackene Häuserschluchten ragten in den bedeckten Himmel. Graue Einöde. Und ein erneuter Menschenstrom. Abgerissene Plakate. Antifa versus NPD. Idealisten verteilen Flugblätter.
"Deine Mutter ... !", schreit eines der Kinder. Der Rest geht im Getose der vorbeifahrenden Autos unter. Triste graue Welt.

"Nein!", hatte sie gesagt. "So kann es nicht weiter gehen. Ich opfere mich für dich komplett auf und du lässt dich tatenlos gehen!"
Vielleicht hatte sie recht. Aber er spürte schon lange nichts mehr. Ihm war es egal. Insgeheim hoffte er, dass sie diese Farce bald beenden würde. Mea culpa gefiehl ihm nicht. Machte alles schon länger keinen Sinn mehr. Kontroverse um Kontroverse. Tragödie. Komödie. Drama. Tragische Komödie. Dürrenmatt wäre stolz gewesen.
Richter und gleichzeitig Henker.

Zynismus? Angebracht für exakt jene Situationen. Sarkasmus? Unbedingt. Er war am Park angekommen. Zwei Monate war es her. Schluss. Ende. Arrivederci.
Vielleicht ja hier die Frau seines Lebens. Er rannte zur Ampel. Gerade grün. Menschenströme bewegen sich entgegengesetzt. Was der Park wohl bringen könnte.


Fortsetzung folgt.